Situation und Thema
In der Ortsmitte von Marktoberdorf im deutschen Allgäu steht, zwischen Rathaus und Bürgervillen aus den zwanziger Jahren, das Künstlerhaus der Dr. Geiger-Stiftung. Ein Gebäude, das sich für verschiedene Zwecke nutzen lässt - für Sonderausstellungen ebenso wie für die Präsentation der eigenen Sammlung und als Atelier. Der Solitär fügt sich in die für Marktoberdorf typische Struktur aus Einzelbauten ein und hebt sich gleichzeitig, durch seine kubische Ausformulierung, von den umgebenden Bürgerhäusern ab. Die Komposition mit dem bestehenden Stil-terhaus folgt in ihrer Situierung einer inneren Logik und gleichzeitig aber auch einer optimalen Ausnutzung innerhalb der Parzelle.
Der in der Anlage als Leerstelle definierte Vorhof, ein von Mauern umfasster quadratischer Skulpturengarten, schafft einen Angelpunkt und wird so zum zentralen Raum. Das Gebäude besteht aus zwei hintereinander gestaffelten, leicht seitlich verschobenen, scharf geschnittenen Backsteinkuben mit einer Grundfläche von je zehn mal zehn Metern. Die Besonderheit liegt in der kompakten Gebäudehülle aus rotbraunem, bündig verfugtem Klinkermauerwerk. Der werkstattartige Charakter des Künstlerhauses mit Sichtmauerwerk auch im Inneren bringt die Idee der lebendigen Galerie zum Ausdruck, dessen Anliegen für einmal nicht der über alles gestellte, neutrale Raum sein will.
Tragstruktur
Typologisch gesehen besteht der Bau aus zwei identischen Volumen, die um neunzig Grad abgedreht stumpf aneinander stossen. Sichtbar wird die Naht der beiden Körper durch den Richtungswechsel der Balkenlage und die Verdoppelung der Wände. Die hinter dem Mauer-werkpanzer verborgene Raumstruktur setzt auf die freie Bespielbarkeit der Ausstellungflächen und verzichtet bewusst auf einen Kern oder trennende Wände. Treppen und Medienschächte fügen sich vielmehr in die raumhaltigen Mauern ein, um grösstmöglich zusammenhängende Exponatflächen zu erzeugen. Im Grundsatz kann bei diesem Bau von einem Zusammenspiel von einer sich selbst tragenden Schale und dazwischen eingefügten Stahlträgerdecken gesprochen werden. Der massiv ausgebildete Gefässboden und das nach ähnlichem Prinzip wie die Zwischenböden funktionierende Dach schliessen den backsteinernen Gebäudemantel konsequent ab.
Die Fundation der ins Erdreich abgesenkten Galeriebauten ist als klinkerverkleidete Wanne ausgebildet. So erscheinen die Mauerwerkkörper wie im Boden versenkt. Darauf aufbauend bildet der als massive Schale verstan- dene Mauerwerkpanzer die eigentliche Gebäudehülle. Das Ziegelmauerwerk wirkt als «Backstein-Mörtel-Verbund» mit hoher Druck- und geringer Zugfestigkeit. Die eigentliche Tragfähigkeit entsteht durch das Zusammenwirken der beiden Baustoffe in allen drei Dimensionen. Die minimalen Zwischenböden mit satt verlegten Fichtenbohlen fügen sich vertikal in die Raumgefässe ein, ohne die Mauerwerkschale zu verletzen. Der massive Mauerwerkbau bewahrt dadurch auch im Äusseren seinen von der Geschossbildung unabhängigen Ausdruck.
Quelle: BEARTH & DEPLAZES - Andrea Deplazes, Valentin Bearth, Daniel Ladner.
aus Deplazes, Andrea (Hrsg.): Architektur Konstruieren - vom Rohmaterial zum Bauwerk - Ein Handbuch, 2. Aufl., Birkhäuser, Basel, 2005.
Photos: feinerfotografie - Ralph Feiner, BEARTH & DEPLAZES