Räumliche Beziehungen
Mit dem Erweiterungsbau des Kunstmuseums wird eine Basler Institution in prominenter Innenstadtlage völlig neu definiert. Als Ausstellungs-, Aufbewahrungs- und Veran-staltungsort ist der Neubau ein Zeichen des Aufbruchs und der Kontinuität zugleich. Das neue, erweiterte Museum besteht jetzt aus zwei Gebäuden, die miteinander eine architektonische Einheit bilden und über eine zwischen ihnen verlaufende Straße hinweg in direkter räumlicher Beziehung zueinander stehen. Da ihre Traufen dieselbe Höhe haben, befindet sich der Neubau auf Augenhöhe mit dem Hauptbau. Der Eingang des Erweiterungsbaus schaut zu den Arkaden des Hauptbaus hinüber und ist von dort entsprechend prominent sichtbar. Die markant einspringende Ecke im Volumen des Neubaus ist die zeichenhafte Antwort auf die ebenso markant vorspringende Ecke des alten Museumsgebäudes. Zudem vollführt die einknickende Neubaufront eine einladende räumliche Geste, die den ganzen Bereich der Straßenkreuzung umfasst und sie so zu ihremVorplatz macht.
Flexibel und zurückhaltend
In jedem Geschoss des Erweiterungsbaus befinden sich zwei Ausstellungstrakte, die durch die zentrale, monumentale Treppe vertikal verbunden sind. Zusammen mit den Foyerzonen beschreibt sie eine freie, expressive Raumfigur, die von einem großen runden Oberlicht erhellt wird. Im Unterschied dazu sind die Ausstellungstrakte in sich rechtwinklig angelegt. Das Spektrum der Räumlichkeiten variiert zwischen kleinteilig und Hallenformat. Im Schnitt sind die neuen Ausstellungsräume jedoch deutlich größer und damit auch flexibler als die alten, zugleich entsprechen sie aber einer eher klassischen Vorstellung von Museum: Sie wirken ruhig und zurückhaltend, sind wohl proportioniert und mit zeitlosen Materialien ausgestattet – Räume, die der Kunst den Vortritt lassen. Dennoch üben sie eine starke physische Präsenz aus. Die Böden sind mit einem Industrieparkett aus Eiche belegt, bei dem die Dielen vollflächig verklebt und unterein-ander mit einem Holzzementmörtel verfugt werden. Auch die grau verputzte tragende Betonwand wird nicht kaschiert, wie sich an den Tür- und Fensterlaibungen zeigt. Eine massive, 10 Zentimeter starke Gipswand bildet den eigentlichen Unter- und Hintergrund für die Bilder. Vorgefertigte, sandgestrahlte Betonelemente überspannen als sichtbare Konstruktionsteile die Ausstellungsräume und inszenieren so die Last der Decke auf den Wänden. Die Decke selbst erhält dank dieser Elemente eine eigene Struktur, die dem Raum eine Richtung verleiht. Im Foyer verbindet sich der Marmor des Bodens mit dem feuerverzinkten Stahl an den Wänden zu einer ästhetischen Einheit, die Kontrast und Harmonie zugleich zum Ausdruck bringt. Es ist dieser Crossover zweier so unterschiedlich konnotierter Materialien, der dem Gebäude erst seinen unverwechselbaren, einmaligen Charakter verleiht.
*Quelle: Emanuel Christ, Christoph Gantenbein
Auszug aus „Ein Haus für die Kunst“, aus: „Kunstmuseum Basel, Neubau“, herausgegeben von Kunstmuseum Basel/Bernhard Mendes Bürgi, erschienen bei Hatje Cantz, Ostfildern 2016*
Fotos: Radu Malasincu