Expertenwissen

Fluchttürverschlüsse

Türen im Verlauf von Rettungswegen müssen von innen jederzeit in voller Breite und ohne weitere Hilfsmittel zu öffnen sein. Zumeist gibt es jedoch noch weitere Anforderungen an die Tür: So muss diese in der Regel nach außen verschlossen sein, auch im versicherungstechnischen Sinne, um den Zutritt Unbefugter zu erschweren. In besonderen Fällen muss auch der Durchgang von innen nach außen für bestimmte Personengruppen, z.B. Kleinkinder in einer Kindertagesstätte, trotz der Fluchtweganforderung erschwert werden. Oder eine Tür soll ausschließlich im Fluchtfall begangen werden und dann beim Benutzen automatisch Alarm auslösen. Wenn Paniksituationen zu erwarten sind, können Türen mit speziellen Beschlägen erforderlich werden, die auch im Panikfall sicher bedient werden können.

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Mehr über Fluchttürverschlüsse

Neben den Anforderungen der jeweiligen Landesbauordnung einschließlich ihrer diesbezüglichen Vollzugshinweise können für einen Fluchttürverschluss weitere gesetzliche Anforderungen gelten, die sich z.B. aus einer Sonderbauverordnung ergeben, wie einer Schulbau-Verordnung, einer Versammlungsstätten-Verordnung oder einer Krankenhausbauverordnung.

Die Anwendungen der DIN EN 179 und der DIN EN 1125 sind nicht gesetzlich geregelt, da beide Normen keine gesetzlich eingeführte Technische Baubestimmung darstellen, ihre Anwendung ist somit nicht verbindlich vorgegeben. Als allgemein anerkannter Stand der Technik stellen sie jedoch bewährte und anerkannte Lösungen zur Herstellung von Fluchttürverschlüssen dar. Dabei ist vom Planer zu prüfen, ggf. in Abstimmung mit der Bauaufsichtsbehörde oder dem Brandschutzplaner, ob bei einer betroffenen Fluchttür im Gefahrenfall Paniksituationen zu erwarten sind (→Ausführung gem. DIN EN 1125) oder nicht (→Ausführung gem. DIN EN 179).

Hinweise zur Planung

Fluchttürverschlüsse in Arbeitsstätten: Konkrete Anforderungen an Fluchttürverschlüsse in Arbeitsstätten ergeben sich aus der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A2.3 (Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan):

  • Aufschlag manuell betätigter Türen in Notausgängen in Fluchtrichtung
  • Aufschlagsrichtung sonstiger Türen im Verlauf von Fluchtwegen abhängig vom Ergebnis einer ggf. durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung
  • Unzulässigkeit von ausschließlich manuell betätigten Karussell- und Schiebetüren
  • eingeschränkte Zulässigkeit von automatischen Türen
  • leichtes Öffnen der Türen im Gefahrenfall, ohne besondere Hilfsmittel (d.h. Öffnungseinrichtung der Tür, z.B. Drücker, gut erkennbar und leicht zugänglich, Betätigungsart leicht verständlich, Öffnen unmittelbar von jeder Person und mit nur geringer Kraft möglich)
  • Anforderungen an verschließbare Türen: jederzeitiges leichtes Öffnen von innen ohne besondere Hilfsmittel, z.B. durch mechanische Entriegelungseinrichtungen (Notausgangsverschlüsse oder Paniktürverschlüsse) oder ein bauordnungsrechtlich zugelassenes elektrisches Verriegelungssystem mit selbstständiger Entriegelung bei Stromausfall (gem. EltVTR)
  • lichte Mindestmaße der Rettungswege und Türen in Abhängigkeit von der Höchstzahl der im Gefahrenfall darauf angewiesenen Personen s. Lexikonbeitrag ► Fluchtwegabmessungen nach Arbeitsstättenrecht.

Fluchttürverschlüsse an Feuer- und Rauchschutztüren: Fluchttürverschlüsse für Feuer- und Rauchschutztüren benötigen eine gesonderte Prüfung/ Zulassung für die Verwendung an der speziellen vorgesehenen Tür. Anforderungen hierzu sind normativ jeweils im Anhang B der DIN EN 179 bzw. der DIN EN 1125 festgelegt. In beiden Normen wird darauf hingewiesen, dass Anforderungen an den Brandschutz dabei nachrangig zum Sicherheitsaspekt des Personenschutzes betrachtet werden, d.h. der einfachen Fluchtmöglichkeit.

Einbruchsschutz: Anforderungen an einen erhöhten Einbruchsschutz in Verbindung mit einem Notausgangsverschluss nach DIN EN 179 bedingen zusätzliche Maßnahmen. Zulässig ist z.B. ein zusätzlicher Schlossriegel mit entsprechender Zulassung, der zu bestimmten Zeiten vorgeschoben wird und der die Freigabefunktion der Tür bei Betätigung des Drückers oder der Stoßplatte nicht behindern oder verzögern darf. Paniktürverschlüsse nach DIN EN 1125 können grundsätzlich nur einen Mindestgrad an Einbruchsschutz von außen gewährleisten.

In beiden Normen wird darauf hingewiesen, dass Anforderungen an den Einbruchsschutz dabei nachrangig zum Sicherheitsaspekt des Personenschutzes betrachtet werden, d.h. der einfachen Fluchtmöglichkeit.

Bei erhöhten Anforderungen an den Einbruchsschutz sollte daher geprüft werden, ob statt einem Notausgangsverschluss nach DIN EN 179 eine elektrisch gesteuerte Fluchttüranlage nach prEN 13637 bzw. statt einem Panikverschluss nach DIN EN 1125 eine elektrisch gesteuerte Paniktüranlage nach prEN 13633 vorgesehen werden sollte, die die jeweiligen Fluchtweganforderungen mit einem erhöhten Einbruchsschutz kombinieren.

Fluchttürverschlüsse bei zweiflügeligen Türen: Die Ausführung des Mittelstoßes einer zweiflügeligen Tür ist gem. DIN EN 179 und DIN EN 1125 sowohl stumpf als auch gefälzt möglich.

Wenn nur beim Gangflügel ein Notausgangsverschluss nach DIN EN 179 ausgebildet ist, gilt die Tür als einflügelige Notausgangstür nach DIN EN 179. Bei zweiflügeligen Notausgangstüren nach DIN EN 179 kann der Standflügel sowohl mit einem horizontalen Drücker analog dem Gangflügel ausgeführt werden, als auch mit einer senkrecht stehenden Standflügelgarnitur.

Bei einer zweiflügeligen Tür ist auch die Kombination einer Notausgangstür nach DIN EN 179 mit einer Panikfluchttür nach DIN EN 1125 möglich: der Gangflügel wird dabei als Panikverschluss nach DIN EN 1125 und der Standflügel als Notausgangsverschluss nach DIN EN 179 ausgebildet, die Tür gilt dann als zweiflügelige Notausgangstür gem. DIN EN 179 oder als einflügelige Panikfluchttür gem. DIN EN 1125. Dabei muss aus den Einbauanweisungen des Herstellers eindeutig hervorgehen, welcher spezielle Paniktürverschluss für den Gangflügel mit welchem speziellen Notausgangsverschluss für den Standflügel kombiniert werden darf.

Sowohl bei Notausgangstüren nach DIN EN 179 als auch bei Panikfluchttüren nach DIN EN 1125 spricht man bei zweiflügeligen Elementen

  • von einer Vollpanik-Ausführung (Regelfall), wenn Gangflügel und Standflügel entsprechend der jeweiligen Norm klassifiziert sind, bzw.
  • von einer Teilpanik-Ausführung, wenn nur der Gangflügel entsprechend klassifiziert ist.

Vollpanik-Fluchttüren werden zusätzlich hinsichtlich der Wirksamkeit ihrer Fluchttürfunktion unterschieden:

  • doppelt wirkende Fluchttürfunktion (Regelfall): Sowohl die Betätigung des Gangflügelbeschlages als auch die des Standflügelbeschlages öffnen jeweils schlagartig und gleichzeitig beide Öffnungsflügel, d.h. die Fluchttürfunktion kann unabhängig voneinander durch beide Türflügel ausgelöst werden
  • einfach wirkende Fluchttürfunktion: die Betätigung des Gangflügelbeschlages öffnet nur den Gangflügel, der Standflügel muss separat entriegelt werden. Diese eingeschränkte Fluchttürfunktion kann nur eingesetzt werden, wenn keine Bedenken hinsichtlich des Brandschutzes bestehen, wenn z.B. der Gangflügel allein die erforderliche Fluchtwegbreite freigibt.
Hinweise zur Bauausführung

Überprüfung/ Wartung: Soweit vom Hersteller nicht anders angegeben, müssen routinemäßig an Türen mit Notausgangsverschlüssen nach DIN EN 179 oder mit Paniktürverschlüssen nach DIN EN 1125 folgende Wartungsüberprüfungen jeweils monatlich durchgeführt und die Ergebnisse dokumentiert werden:

  • Überprüfung des ordnungsgemäßen Betriebszustandes des Verschlusses durch Sichtkontrolle und Betätigung, dabei Mitüberprüfung, ob das Bedienelement richtig festgezogen ist
  • Dokumentation der Betätigungskräfte zum Freigeben des Fluchttürverschlusses (nach Messung mit einem Kraftmesser), Überprüfung auf wesentliche Änderungen verglichen mit der Erstinstallation
  • Überprüfung der Sperrgegenstücke auf Blockierung oder Verstopfung
  • Überprüfung der Schmierung des Notausgangsverschlusses gemäß den Herstellervorgaben
  • Überprüfung, ob sämtliche vorhandenen Komponenten in der bei der Auslieferung übergebenen Liste zugelassener Bauteile enthalten sind, insbesondere ob nachträglich Verriegelungseinrichtungen hinzugefügt wurden

Bei elektrischen Verriegelungssystemen muss die gem. EltVTR vom Hersteller beizufügende Betriebsanleitung neben einer Funktionsbeschreibung der Anlage auch Angaben und Fristen zur Wartung und Prüfung, zu Maßnahmen bei Störungen sowie zur Instandhaltung enthalten.

Verwendbarkeitsnachweis: Von den hier behandelten Fluchttürverschlüssen sind nur die elektrischen Verriegelungssysteme geregelte Bauprodukte gemäß der Bauregelliste. Bei diesen stellt die EltVTR den Verwendbarkeitsnachweis dar, sofern das Bauprodukt nicht wesentlich von ihr abweicht. Für alle anderen Verschlüsse dient die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) des Herstellers als Verwendbarkeitsnachweis.

Normen und Literatur

DIN 18252 Profilzylinder für Türschlösser - Begriffe, Maße, Anforderungen, Kennzeichnung

DIN EN 179, Schlösser und Baubeschläge - Notausgangsverschlüsse mit Drücker oder Stoßplatte für Türen in Rettungswegen - Anforderungen und Prüfverfahren

DIN EN 1125, Schlösser und Baubeschläge - Paniktürverschlüsse mit horizontaler Betätigungsstange für Türen in Rettungswegen - Anforderungen und Prüfverfahren

DIN EN 1303 Schlösser und Baubeschläge - Schließzylinder für Schlösser - Anforderungen und Prüfverfahren

DIN EN 13637, Schlösser und Baubeschläge - Elektrisch gesteuerte Fluchttüranlagen für Türen in Fluchtwegen - Anforderungen und Prüfverfahren

EltVTR Richtlinie über elektrische Verriegelungssysteme von Türen in Rettungswegen

Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A2.3, Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan

Quelle: bauwion