Expertenwissen

Dachbegrünung

Begrünte Dächer haben viele Vorteile. Neben der optischen Flächenaufwertung, in einer dichtbebauten innerstädtischen Situation ebenso wie in der freien Landschaft, gibt es auch viele praktische Gründe, die für ein begrüntes Dach sprechen. So verlängert sich die Lebenserwartung der Abdichtung durch die Abmilderung der extremen Klima- und Umwelteinflüsse erheblich. Gründächer erwärmen sich im Sommer weniger und phasenverschoben, was sich positiv auf die Raumtemperatur der darunterliegenden Räume auswirkt.

Bild: Systemaufbau Extensivbegrünung leicht - bauwion


Mehr über Dachbegrünung

Auch hinsichtlich des Schallschutzes und für die Abschirmung elektromagnetischer Strahlung leistet ein Gründach einen positiven Beitrag. Bei den vielen Vorteilen einer Dachbegrünung sind die höheren Kosten für die Herstellung (und insbesondere bei intensiv begrünten Dächern auch für den Unterhalt) mit zu berücksichtigen. Die Planung sollte in jedem Fall unter Berücksichtigung und Anwendung der Dachbegrünungsrichtlinie erfolgen. Die Anwendung der Richtlinie ist nicht allgemein vorgeschrieben, soweit sich dies nicht aus projektspezifischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder Verträgen ergibt, ist jedoch unbedingt zu empfehlen, um eine fachgerechte Ausführung des Gründaches sicherzustellen.

Hinweise zur Planung

Funktionsschichten eines Gründaches: s. Lexikonbeitrag in der rechten Spalte.

Begrünungsarten: Es wird zwischen extensiver und intensiver Begrünung unterschieden. Extensive Dachbegrünungen sind leicht und haben eine geringe Aufbauhöhe. Angesäht werden Pflanzen mit minimalem Pflegebedarf wie Sedum, Wildblumen und Wildkräuter. Intensive Begrünungen bieten deutlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten, allerdings auch bei höheren Kosten, höherem Flächengewicht und erhöhtem Pflegeaufwand. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind hierbei ähnlich denen einer Gartenanlage, z.B. mit Rasenflächen, Wasserflächen, Gehölzen und Stauden. In der Dachbegrünungsrichtlinie wird zusätzlich noch die dritte Kategorie „Einfache Intensivbegrünung“ aufgeführt, die bei eingeschränkter Pflanzenauswahl und reduziertem Schichtaufbau eine Art „Intensivbegrünung light“ darstellt.

Nutzung von Gründachflächen: Grundsätzlich sind extensive wie intensive Gründachflächen, mit Ausnahme angelegter Wege- und Terrassenflächen, nicht für eine Benutzung durch Personen vorgesehen, außer für Begehungen zur Pflege und Wartung der Flächen. Soll eine darüber hinausgehende Nutzung möglich sein, müssen die sich hieraus ergebenden Unterschiede zu einem ungenutzten Dach, insbesondere hinsichtlich Absturzsicherungen und statischen Anforderungen (Verkehrslasten), frühzeitig bei der Planung mit berücksichtigt werden. Vor allem bei der Umnutzung einer bestehenden Dachfläche sind die zusätzlichen Lasten aus verändertem Dachaufbau und zusätzlichen Verkehrslasten hinsichtlich ihrer Machbarkeit zu prüfen.

Urban Farming: Zunehmend möchten Nutzer zur Verfügung stehende Gründachflächen in den Großstädten auch landwirtschaftlich durch den Anbau von Obst (z.B. Himbeeren, Brombeeren, Johannisbeeren) und Gemüse (z.B. Salat, Tomaten, Paprika, Zucchini, Gurken, Bohnen) nutzen, insbesondere für den Eigenbedarf. Dies ist bei einem intensiven Gründachaufbau grundsätzlich möglich, wenn die sich hieraus ergebenden o.g. Unterschiede zu einem ungenutzten Dach, insbesondere hinsichtlich Absturzsicherungen und statischen Anforderungen (Verkehrslasten) berücksichtigt werden.

Begrünung von Steildächern: Auch die Begrünung von Steildächern (Dachneigung 5° - 45°) ist möglich. Neben der schnelleren Wasserabführung ist hierbei auch die erhöhte Rutsch- und Schubbeanspruchung des Aufbaus zu berücksichtigen. Wenn bei Dachneigungen unter 15° kein flächiges Schubsicherungssystem verwendet wird, ist ein statischer Nachweis für die Schubaufnahme in der Traufe erforderlich. Der erhöhten Wasserabführung kann durch einen veränderten Aufbau mit größerem Speichervermögen, z.B. durch dickere Wasserspeicherplatten, entgegengewirkt werden. Möglichkeiten zur Ausführung der erforderlichen Rutsch- und Schubsicherungen, z.B. mit Matten, Profilen oder Schwellen, werden in der Dachbegrünungsrichtlinie unter Punkt 6.10 in Abhängigkeit von der jeweiligen Dachneigung beschrieben und/ oder sind beim jeweiligen Hersteller zu erfragen.

System: Die Verträglichkeit und Kompatibilität der verschiedenen Bauteilschichten untereinander ist zu prüfen. Die meisten Hersteller bieten aber auch geprüfte Systeme für ganze Dachaufbauten für die unterschiedlichen Anforderungen an, so dass für deren Planung Sicherheit bei der Schichtkompatibilität besteht. Im Übergang zur darunter liegenden Abdichtung empfiehlt sich in den meisten Fällen der Einbau einer Trennlage, um chemische Unverträglichkeiten des Gründachaufbaus mit der Abdichtung auszuschließen.

Dachkonstruktion/ Untergrund: Der Untergrund ist hinsichtlich seiner Eignung für einen Gründachaufbau zu prüfen, insbesondere:

  • Tragfähigkeit der Unterkonstruktion, insbesondere bei bestehenden Gebäuden, unter Berücksichtigung des gesamten Gründachaufbaus einschließlich größerer Einzellasten (z.B. Gehölze, Bauelemente), ggf. auch den Verkehrslasten, und der maximal möglichen Menge von Anstauwasser.
  • Ausreichende Druckfestigkeit der Dämmung
  • Auswirkungen auf das Wasserdampfdiffusionsverhalten des gesamten Dachaufbaus.

Einzelheiten in Abhängigkeit von der jeweiligen Bauweise sind in der Dachbegrünungsrichtlinie unter den Punkten 5.4 - 5.6 beschrieben.

Absturzsicherungen: Sicherungen gegen Absturz sind entsprechend den Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften und Unfallversicherer sowohl temporär während der Baumaßnahme (s. BGV C22 bzw. GUV-V C 22) als auch dauerhaft für spätere Wartungs- und Pflegearbeiten (s. BGI 5164) vorzusehen.

Be-/ Entwässerung: Zur Bewässerung der begrünten Flächen ist mindestens ein frostsicherer Wasseranschluss auf der Dachfläche vorzusehen. Einzelheiten zur Planung der Entwässerung einschl. Dachabläufen und Notüberläufen sind in der Dachbegrünungsrichtlinie unter Punkt 5.8 beschrieben.

Randstreifen: An aufgehenden Bauteilen und Fassaden ist ein vegetationsfreier Sicherheitsstreifen anzuordnen, z.B. aus Grobkies oder Gehwegplatten. Bei der Festlegung der Streifenbreite sind etwaige weitere Anforderungen mit zu berücksichtigen, z.B. hinsichtlich des Brandschutzes (s.u.) oder der Nutzung als Arbeitsfläche für die Fassadenreinigung.

Brandschutz: Gem. § 32 Abs. 1 der Musterbauordnung (MBO) müssen „Bedachungen gegen eine Brandbeanspruchung von außen durch Flugfeuer und strahlende Wärme ausreichend lang widerstandsfähig sein (harte Bedachung)“. Abs. 4 ergänzt: „Abweichend (…) sind (…) begrünte Bedachungen zulässig, wenn eine Brandentstehung bei einer Brandbeanspruchung von außen durch Flugfeuer und strahlende Wärme nicht zu befürchten ist oder Vorkehrungen hiergegen getroffen werden“.

Von einer Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (ARGEBAU) wurde im Juni 1989 der Mustererlass „Brandverhalten begrünter Dächer“ beschlossen, der die Voraussetzungen konkretisierte, unter denen ein Gründach als harte Bedachung eingestuft werden kann (gekürzte Zusammenfassung):

Regelmäßig gepflegte und bewässerte Intensivbegrünungen mit entsprechend dicker Substratschicht sind demnach grundsätzlich als harte Bedachung einzustufen.

Extensivbegrünungen sind unter folgenden Voraussetzungen als harte Bedachung einzustufen:

  • überwiegend niedrig wachsende Pflanzen (z. B. Gras, Sedum, Eriken)
  • Substratschicht (Dachgärtnererde, Erdsubstrat), mindestens 3 cm dick, mit höchstens 20 Gew. % organische Bestandteile.
  • Gebäudeabschlusswände, Brandwände oder Wände, die an Stelle von Brandwänden, zulässig sind, in Abständen von höchstens 40 m mind. 30 cm über das begrünte Dach, bezogen auf Oberkante Substrat bzw. Erde geführt. Sofern diese Wände aufgrund bauordnungsrechtlicher Bestimmungen nicht über Dach geführt werden müssen, genügt auch eine 30 cm hohe Aufkantung aus nichtbrennbaren Baustoffen oder ein 1 m breiter Streifen aus massiven Platten oder Grobkies.
  • Anordnung eines mind. 0,5 m breiten Streifens aus massiven Platten oder Grobkies vor Öffnungen in der Dachfläche (Dachfenster, Lichtkuppeln) und vor Wänden mit Öffnungen, es sei denn, dass die Brüstung der Wandöffnung mehr als 0,8 m über Oberkante Substrat hoch ist.

Der Mustererlass wurde in unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlichen Abänderungen in die einzelnen Landesbauordnungen bzw. deren Verwaltungsvorschriften/ Vollzugshinweise/ Handlungsempfehlungen übernommen. Vom verantwortlichen Planer eines Bauvorhabens ist daher zu klären, ggf. auch in Rücksprache mit der zuständigen Bauaufsichtsbehörde, unter welchen Voraussetzungen ein Gründach im jeweiligen Bundesland als harte Bedachung eingestuft werden kann.

Auswahl der Pflanzen: Bei der Auswahl der Pflanzen müssen die jeweiligen Standortbedingungen mitberücksichtigt werden, die Dachbegrünungsrichtlinie unterscheidet hierbei klimatische/ witterungsbedingte, bauwerkspezifische und pflanzenspezifische Faktoren. Einzelheiten sind in der Dachbegrünungsrichtlinie unter Punkt 3.3 beschrieben, weitere Anforderungen an Saatgut, Pflanzen und Vegetation unter Punkt 11.

Einschichtige Bauweise: Einen Sonderfall beim Gründachaufbau stellt die sogenannte einschichtige Bauweise dar. Hierbei übernimmt eine homogene Schüttung gleichzeitig die Funk­tionen der Drän-, Filter- und Vegetationstrag­schicht. Die einschichtige Bauweise ermöglicht die Begrünung großer Flächen mit ge­rin­gem Zeit- und Kosten­auf­wand. Diesen Vorteilen stehen jedoch nicht unerhebliche Nachteile gegenüber: durch die fehlende Filterschicht lässt die Dränagewirkung mit der Zeit nach, die Staunässegefahr erhöht sich, es kann zu verstärkter Moosbildung und auch einer deutlichen Erhöhung der ursprünglichen Dachlast kommen, die daher, bezogen auf das Tragwerk, von vornherein entsprechend höher ausgelegt werden muss. Auch können durch die fehlende Schichtentrennung Wasser und Nährstoffe schlechter gespeichert werden, es entsteht erhöhter Bedarf an Bewässerung und Düngung. Den anfänglichen Kosten- und Zeiteinsparungen gegenüber dem konventionellen mehrschichtigen Gründachaufbau steht so ein erhöhter Pflegeaufwand gegenüber.

Hinweise zur Bauausführung

Schutzmaßnahmen gem. DIN 18195: Schutzmaßnahmen dienen dem vorübergehenden Schutz der Abdichtung während der weiteren Baumaßnahmen und müssen auf die Art und Dauer der Baumaßnahmen bis zur Herstellung der endgültigen Schutzschicht abgestimmt sein. Auch chemische Stoffe, die die Abdichtung beschädigen können, sind hierbei ggf. mit zu berücksichtigen, z.B. Schmiermittel, Lösungsmittel oder Schalungsöl. Auf ungeschützten Abdichtungen dürfen keine Lasten abgestellt werden und die Flächen sind nur mit geeignetem Schuhwerk und soweit absolut notwendig zu betreten.

Begrünung: Die Begrünung erfolgt je nach Vegetationsform, Pflanzenarten und Begrünungsziel durch Trockenansaat, Nassansaat, Ausstreuen von Sprossen, Pflanzung von Einzelpflanzen oder Andecken von vorkultivierten Vegetationsmatten bzw. Fertigrasen, auch Kombinationen mehrerer Verfahren sind grundsätzlich möglich.

Erosionsschutz: Durch geeignete Maßnahmen ist Sorge dafür zu tragen, dass der nach dem Einbringen noch ungefestigte Gründachaufbau nicht durch Wind- und Wasser geschädigt wird. Je nach Aufbau, Windexposition und Dachneigung kann dies z.B. durch das ständige Feuchthalten des Vegetationssubstrates erfolgen, oder auch durch ein Erosionsschutzgewebe, durch Nassansaat oder Andecken vorkultivierter Vegetationsmatten. Einzelheiten hierzu sind in der Dachbegrünungsrichtlinie unter Punkt 14 beschrieben.

Fertigstellungspflege: Je nach Vegetationsform sind verschiedene Maßnahmen zur Fertigstellungspflege erforderlich. Diese werden in DIN 18916 und DIN 18917 für extensive Begrünungen beschrieben und sind auf intensive Begrünungen entsprechend übertragbar. Zu den Maßnahmen gehören z.B. Bewässerung, Düngung, Schädlingsbekämpfung und Nachsaat.

Normen und Literatur

DIN 18195, Teile 3, 5, 8-10, Bauwerksabdichtungen

DIN 18234, Baulicher Brandschutz großflächiger Dächer, Brandbeanspruchung von unten

DIN 18531, Teil 1-4, Dachabdichtungen

DIN 18916, Vegetationstechnik im Landschaftsbau - Pflanzen und Pflanzarbeiten

 

DIN 18917,Vegetationstechnik im Landschaftsbau - Rasen und Saatarbeiten

DIN 18918, Vegetationstechnik im Landschaftsbau - Ingenieurbiologische Sicherungsbauweisen - Sicherungen durch Ansaaten, Bepflanzungen, Bauweisen mit lebenden und nicht lebenden Stoffen und Bauteilen, kombinierte Bauweisen

 BGV C22 Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten, vom 1. April 1977, in der Fassung vom 1. Januar 1997, Herausgeber: HVBG Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften

Flachdachrichtlinie, Fachregel für Abdichtungen, Ausgabe Oktober 2008, letzte Änderung Dezember 2011: Regel für Abdichtungen nicht genutzter Dächer, Regel für Abdichtungen genutzter Dächer und Flächen

Dachbegrünungsrichtlinie, Richtlinie für die Planung, Ausführung und Pflege von Dachbegrünungen. Ausgabe 2008, Hrsg.: Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL), Bonn.

Quelle: bauwion